Vor einem Jahr habe ich ein Experiment gestartet:
Ich wollte mich gesund und klimafreundlich ernähren.
Der Auslöser dafür war eine Knoblauchknolle.
Die wollte ich damals im Supermarkt kaufen. Die kam aber aus China.
Nachdem ich mich damals verweigert habe Knoblauch aus China zu kaufen, weil er doch eigentlich auch bei uns in der Erde wachsen kann, und nachdem ich selbst auf dem Marburger Wochenmarkt nur Knoblauch aus Marokko oder Frankreich finden konnte, habe ich beschlossen, für mich etwas ändern zu wollen:
„Kein Essen mehr aus dem Supermarkt!“
Ich hatte es mir zum Ziel gesetzt nur noch von dem zu leben, was jetzt gerade um uns herum wächst, was ich selbst anbaue und wovon ich genau weiß wo es herkommt.
Alles was mir heute, nach einem Jahr Erfahrung, dazu einfällt ist:
es ist verdammt schwer!
Bei diesem Experiment habe ich viel gelernt und oft habe ich mich gefragt, warum zum Teufel mir das eigentlich vorher niemand beigebracht hat….. :
Statt gute Noten in der Schule zu haben (die ich nie hatte ;)) sollte man doch wenigstens wissen, wie man Samen sät, wie Weizen aussieht, dass man Tomatenpflanzen an Stöcken befestigt und wann und wie man Karotten aus dem Boden zieht. Das ist Wissen, das unsere Großeltern hatten und das innerhalb von 2 Generationen völlig verloren gegangen ist. Da wundert es mich nicht, dass wir jetzt im März in den Supermärkten Schnittlauch aus Äthiopien und Basilikum aus Kenia finden (das muss man sich mal vorstellen!). Jeder der selbst Gemüse anbaut und sich mit der Natur beschäftigt, weiß, dass diese Kräuter bei uns nur zu einer ganz bestimmten Zeit wachsen. Aber das musste auch ich erstmal lernen.
Neben der Erkenntnis, was wann wächst hat mir dieses Experiment vor allem 2 Dinge zu verstehen gegeben:
- ) Um sich gesund und klimafreundlich zu ernähren, braucht man Zeit. Seeeeehr viel Zeit.
- ) Alle unsere heutigen modernen Rezepte müssten umgeschrieben, neu entdeckt oder wiederentdeckt werden.
Das ganze Jahr über war ich eigentlich nur beschäftigt mit: säen, pflanzen, Unkraut jäten, Wildkräuter sammeln, verarbeiten, trocknen, Stöcke setzen für Tomaten und Bohnenpflanzen und vorallem mit e r n t e n und v e r a r b e i t e n (einkochen, dörren, haltbarmachen). Selbstversorgung ist ein Vollzeit-Job, das wurde mir bewusst. Und gleichzeitig ist es der schönste Job, den es gibt. Das wurde mir auch bewusst.
Für unsere Großeltern war es früher der normalste Job. Heute ist es etwas außergewöhnliches.
Wenn man mit der ganzen Familie und Freunden zusammensitzt und viele Abende lang Walnüsse knackt oder geschälte Apfelringe zum Dörren an der Wäscheleine aufhängt, dann führt das zu einem Gemeinschaftsgefühl. Und wenn man sich im Winter noch darüber freut, dann ist das ein großes Erfolgserlebnis (viel größer als wenn man in der Firma, für die man arbeitet, die nächste Prämie bekommt).
Allerdings hat mich diese ganze Ernte- und Verarbeitungsaktion vor eine große Herausforderung gestellt:
Was koche ich genau mit diesen Zutaten, die ich gerade verfügbar habe?
Mir wurde bewusst, dass ich einen Großteil unserer heutigen modernen Rezepte gar nicht kochen kann, weil es zum Beispiel Karotten vorsieht, die ich erst ab Juli aus dem Boden ziehen kann. Oder Tomaten, die erst im August reif werden. Oder Stangensellerie, die ich dummerweise nirgendwo angebaut habe. Sogar am Suppengrün bin ich zwischendrin gescheitert: als die Karotten groß genug waren, damit ich sie aus dem Boden ziehen konnte, war der Knollensellerie noch zu klein zum ernten und auch auf den Lauch musste ich noch warten.
Alle meine bisherigen italienischen Lieblingsrezepte musste ich umdenken.
Und auch die von meiner Oma.
Und auch die „modernen gesunden“.
Die Herausforderung wurde auch deshalb so groß, weil ich das ganze Jahr über weder Fleisch noch Fisch eingekauft habe. In meinem selbstdeklarierten „Jahr des Verzichts“ gab es dafür kein Budget. Und so wurde ich ungewollt fast auch noch zur Veganerin. Käse hätte ich auch im Supermarkt einkaufen müssen, da ich den aber gemieden habe, gab es also auch keine Milchprodukte.
Tja, was kocht man da jetzt??
- Die Rezepte von meiner Oma sehen fast alle Fleisch vor. Und Zucker.
- Die modernen veganen Rezepte beinhalten fast alle Zutaten aus anderen Kontinenten (Chiasamen, Cashewkerne, Datteln, Bananen, Kokosmilch, Kakao, etc.)
- Makrobiotische Rezepte enthalten oft Lebensmittel, die man im Biomarkt kaufen muss oder sie schmecken mir nicht wirklich.
- Rezepte aus der Vollwert-Ernährung enthalten häufig Schmand/Sahne oder Hefe, auch das hätte ich im Supermarkt kaufen müssen.
- Selbst viele italienische Rezepte konnte ich nicht zubereiten, weil mir die Zitronen gefehlt haben. Oder es hat der Parmesan gefehlt. Oder das Fleisch. Oder Gemüse wie Auberginen und Artischocken. Außerdem enthalten die modernen italienischen Rezepte oft Auszugsweißmehl, das mit dem Gedanken einer gesunden Ernähung nicht zu vereinen ist.
Oft musste ich selbst kreativ werden. Und manchmal (nicht immer 😉 ) hat es geschmeckt. Alle Mitesser waren sehr geduldig mit mir und haben sich auch mal auf was Neues eingelassen (z.B. Buchweizen, Hirse, Vollkorngerichte, Suppen im Winter, etc.).
Eins ist mir dabei also klar geworden:
für eine gesunde und klimafreundliche Ernährung brauchen wir entsprechende Rezepte!
Rezepte, die zu 80% vegetarisch sind, die vollwertig sind (d.h. mit weitestgehend unverarbeiteten Lebensmitteln) und die vor allem an unsere REGION und die entsprechende JAHRESZEIT angepasst sind.
Unsere Großeltern kannten noch die Unterschiede zwischen Gerichten, die man im Winter, im Frühling, im Sommer und im Herbst zubereitet hat. Und früher gab es regional unterschiedliche Rezepte, sowie es heute noch in Italien der Fall ist.
Heutzutage werden sogar Quinoa und Kichererbsen von einigen fortschrittlichen Landwirten in Deutschland angebaut.
Da wäre es doch mal an der Zeit KLIMAFREUNDLICHE Rezepte zu entwerfen. Mit Lebensmitteln, die JETZT gerade UM UNS HERUM wachsen.
Oder gibt es sie schon längst, nur ich kenne sie nicht?
Oder hat jemand Lust sie zu erfinden?
Meine Lebensmittel aus dem Vitamin-N Sortiment stelle ich dafür gerne zur Verfügung. 🙂
In der Hoffnung, dass die nächste Saison in der Küche einfacher wird….. 😉
Eure
Tanja